Ein Märchen mit vielerlei Dimensionen
Das Märchen startet in Flächenland, der Heimat unseres Erzählers. Er ist Gelehrter, ein Quadrat, und er hatte wohl als einziger Bewohner Flächenlands die Möglichkeit in andere Dimensionen zu reisen und so ein besseres Verständnis des großen Ganzen zu erhalten.
Flächenland (zweidimensional)
Stell dir einfach ein riesiges Blatt Papier vor mit einer unendlichen Ausdehnung nach Norden, Süden, Osten und Westen. Es gibt einige Besonderheiten, wie z.B. der Einfall des Lichtes. Er ist immer und überall gleich. Tag wie Nacht. In Flächenland herrscht eine Anziehung nach Süden und es regnet ausschließlich von Nord nach Süd.
Die Bewohner des Landes sind aber nur auf das Blatt aufgemalt und können deshalb nichts von oben betrachten, sondern immer nur die jeweilige Außenlinie sehen. Das bedeutet natürlich, dass aus einer bestimmten Perspektive jeder wie eine Gerade aussieht, was oft zu Missverständnissen führt, denn die Bevölkerung von Flächenland setzt sich aus den folgenden Formen zusammen:
Die Frauen sind ausschließlich Geraden, Soldaten und Arbeiter sind spitzwinklige Dreiecke mit zwei gleichlangen Seiten. Manche haben einen derart spitzen Winkel, dass man sie kaum von Frauen unterscheiden kann.
Die Mittelschicht besteht aus gleichseitigen Dreiecken, die Gelehrten setzen sich aus rechtwinkligen und fünfseitige Figuren zusammen. Die Aristokraten haben sechs oder mehr Seiten.
Die anbetungswürdigste Form in ganz Flächenland ist natürlich der Kreis und die Entwicklung scheint auch in diese Richtung zu gehen, denn von Generation zu Generation geht die Tendenz hin zu Vielecken. Ein Aufstieg innerhalb der Gesellschaft ist also Möglich, denn naturgemäß hat der Sohn immer eine Seite mehr als sein Vater. (Ausgenommen davon ist die Unterschicht, also Frauen Soldaten und Arbeiter. Die haben wenig bis gar keine Chance aufzusteigen.)
Für alle anderen gilt: Von Generation zu Generation bekommen die Nachfahren immer mehr kurze Seiten, so dass sie aus der Perspektive der Bewohne Flächenlands nicht mehr von einem Kreis zu unterscheiden sind. Wenn dass passiert, dann wird die Person automatisch in die Priesterkaste aufgenommen.
Unser Gelehrter, der in diesem strengen Kastensystem aufgewachsen ist begibt sich irgendwann unfreiwillig auf die Reise um mehr von unserem Universum zu erfahren:
Linienland (eine Dimension)
2 Tage vor dem Jahrtausendwechsel findet sich unser Viereck plötzlich im Linienland wieder und gerät sofort mit dem dortigen König in Streit. Der König ist der Meinung, dass sein Königreich, eine Gerade, die ganze Welt sei. Unser Gelehrter bat ihn, einmal aus seiner Linie herauszutreten um sich Flächenland anzusehen und um sein eigenes Königreich von Außen zu betrachten. Der König beschimpft unseren Erzähler als Ketzer und ruft seine Armee sofort zu den Waffen.
Um der Gefahr zu entgehen, tritt der Erzähler einfach aus der Linie heraus und ist in Sicherheit. (Höchstwahrscheinlich ist der König von Linienland äußerst verwundert über das plötzliche Verschwinden des Ketzers.)
Raumland (drei Dimensionen)
Nur einen Tag später erscheint unserem Erzähler ein perfekter Kreis, der ihm eine andere Welt zeigen will. Der Kreis erzählt, dass der Raum keine Ebene ist, sondern aus Länge x Breite x Höhe besteht. Unser Erzähler reagierte ähnlich wie vorher der König im Linienland. Mit Wut und Angst. Der Kreis nimmt ihn einfach mit und öffnet ihm die Augen …
… und er sieht zum ersten mal in seinem Leben eine Kugel, die natürlich tausend mal perfekter ist als ein Kreis. Zum ersten mal kann er seine Heimat und sein Haus von Oben sehen – und vor allem kann er zum ersten mal einen Winkel sehen, der in Flächenland ja so viel bedeutet und über Glück und Unglück entscheidet.
Als unser Freund von der Kugel wissen will, ob er jetzt auch die vierte Dimension kennen lernen kann, wird wiederum die Kugel wütend und besteht darauf, dass das komplette Universum aus drei Dimensionen besteht. Erzürnt wirft er unseren Erzähler aus dem Raumland und schickt ihn zurück nach Flächenland.
Punktland (keine Dimension)
Direkt nach seinem Rauswurf aus Raumland reist er weiter ins Punktland. Der dortige König nimmt nur sich selbst wahr und sein Tagesablauf besteht ausschließlich daraus sich selbst zu huldigen. Er versuchte mit dem König zu reden, der reagierte jedoch nicht auf das Gesagte sondern hält es für seine eigenen vielschichtigen Gedanken. Der König kann sich etwas anderes als sich selbst nicht vorstellen und lebt so in trostloser Einsamkeit bei gleichzeitiger Bewunderung seiner Genialität.
Als unser Quadrat wieder zurück in Flächenland ist, versucht er natürlich die anderen auf die dritte Dimension Aufmerksam zu machen, was jedoch nur dazu führt dass er eingesperrt wird und scheinbar im Kerker verrotten soll, denn eine weitere Dimension würde das bestehende Kastensystem etwas ins Wanken bringen.
Hintergrund:
- Erschienen im Jahre 1848 unter dem Pseudonym: A. Square
- Es ist eine Satire auf die Viktorianische Gesellschaft
- Das Buch wird in The Big Bang Theory erwähnt (Staffel 2; Folge 12)