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Turmbau von Friedrich Dürrenmatt

Erschienen in seinem Buch: Turmbau. Stoffe IV-IX

Dürrenmatt wollte die Geschichte des Turmbau zu Babel auf die Bühne bringen und seine Pläne waren ebenso ambitioniert wie der Turmbau selbst.

Er wollte jeden Akt in einem höheren Stockwerk spielen lassen, in einem Turm der sich durch die Wolken in den Himmel schiebt, bis in die Tiefen des Weltalls hinein. Die Schauspieler sollten in den oberen Etagen nur noch mit Raumanzügen und Atemschutzmasken auftreten.

Kein geringerer als der König von Babylon, Nebukadnezar, trieb diesen beachtlichen Bau voran, denn nachdem er die ganze irdische Welt besiegt und unterjocht hatte blieb ihm nichts anderes mehr übrig als mittels dieses Turmes einen Weg in den Himmel zu bauen damit er den einzig verbliebenen und einzig würdigen Gegner gegenübertreten konnte, der noch geblieben ist: Gott.

Natürlich nahm er beim Bau keine Rücksicht auf die Menschen und so starben sie wie die Fliegen. Entweder verbrannten sie auf den oberen Stockwerken unter der Hitze der Sonne oder sie fielen im tagelangen freien Fall bis sie am Boden zerschellten.

Irgendwann war es dann soweit und der Turm war fertig. Nebukadnezar stürmte als letzter Überlebender mit gezücktem Schwert nach oben – um endlich seinen Endkampf zu bestreiten. Doch als er auf der Plattform ankam findet er sie leer. Er tobte und schrie vor Wut, versuchte Gott durch Beleidigungen hervor zu locken – natürlich vergebens.

Als er frustriert in die ferne blickt, kommt plötzlich ein alter Mann aus dem Dunkel der Plattform auf ihn zu während er gemächlich den Boden fegt. Der König fragt ihn nach dem Aufenthaltsort Gottes – doch auch der Alte weiß es nicht.

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„Wer bist du?“ zischt Nebukadnezar dem Alten entgegen und der entgegnet ihm nur lächelnd: „dein Vorgänger“.

Er erzählt, dass auch er vor Urzeiten die Erde unterjocht hat und dass auch er die Menschen gezwungen hat einen Turm bis in den Himmel zu bauen um Gott zu töten. Und seither ist er nun hier oben und kehrt den Weltenboden.

Mit diesen Worten drückt der Alte Nebukadnezar den Besen in die Hand und schlurft langsam zur Treppe. Nebukadnezar ruft dem Alten hinterher: „das hat doch alles keinen Sinn!“

„Im Nichts hat nichts einen Sinn“ entgegnet der Alte und lässt den König mit seiner neuen Aufgabe alleine.

Leider wurden Dürrenmatts Ambitionen genau wie die der Turmbauer in der Bibel unter einem Berg von Steinen begraben und so blieb nur ein Fragment von 3-4 Buchseiten übrig die von diesem Stoff erzählen.

Mehr Kontext:


  • Die Werksausgabe Labyrinth Turmbau Stoffe I-IX ist 1998 erschienen.

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