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der Winterkrieg in Tibet von Friedrich Dürrenmatt

Der Winterkrieg ist ein Stoff aus dem Buch Labyrinth. Stoffe I-III

Ein immer währende Krieg. Ein Weltkrieg, der nicht mehr den ganzen Planeten in Schutt und Asche legt denn er wird ausschließlich  auf dem Dach der Welt ausgefochten. Genau dort wo laut Terry Pratchett die Götter wohnen.

Ein Söldner wird von der Verwaltung angeheuert und er macht sich auf nach Nepal wo er unter seltsamen Bedingungen seinen Chef kennenlernte, aber lesen sie selbst:

„Glaubst du an Gott?“
„Nein!“
„Glaubst du an eine unsterbliche Seele?“
„Nein!“
„Ist auch nicht Vorschrift.
Glaubst du an einen Feind?“
„Ja!“
„Siehst du, dass ist Vorschrift.
Zieh dir eine Uniform an, nimm dir einen Stahlhelm und ein Maschinengewehr
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Die kriegerischen Auseinandersetzungen finden alle in einem riesigen Tunnelsystem statt, man kann Freund von Feind nicht mehr unterscheiden und so ist jedes Lebewesen dass sich nähert erst mal ein potentieller Feind. Alle Leben in einem Dauerzustand aus Angst und Hoffnungslosigkeit.

„Ich blieb entsetzt stehen. Vor mir in einem Rollstuhl saß ein beinloser Söldner. Statt Arme hatte er Prothesen. Die linke war eine Konstruktion aus Stahl, die in eine Maschinenpistole mündet. Die Rechte war eine künstliche Hand die aus Zangen, Schraubenziehern, Messern und ähnlichen Gegenständen bestand. Der untere Teil des Gesichts war ebenfalls aus Stahl. An der Stelle des Mundes war ein Schlauch … „

Im Winterkrieg gibt es keine Gefangenen, da es weder Festungen, noch Gefängnisse gibt. Es gibt auch keine Krankenhäuser, es gibt nur den Tod. Und die entmenschlichten noch-lebenden.

Die Frage nach dem Feind darf ein Söldner nicht aufkommen lassen – aus dem einfachen Grund: weil sie ihn umbringt.  Stellt er den Feind in Frage, kann er nicht kämpfen.
Hat ihn die Frage gar so weit getrieben, dass er zu fragen wagt, dann ist er nicht mehr zu retten.  

Unser Söldner kämpft Jahrzehnte in diesem aussichtslosen Krieg, er tötet und überlebt. Er wird verletzt und ebenso wieder zusammengeflickt wie die anderen Söldner. Der Berg ist gesättigt vom Blut der Toten. Irgendwann gab es weniger und weniger Feindkontakt und so beginnt er seine Erinnerungen in die Felswände der endlosen Tunnel zu ritzen. Tag ein Tag aus schreibt er 200 Meter lange Zeilen in den Fels, rollt am Ende der Zeile wieder zurück an den Anfang um die nächste zu schreiben. Er hat sich vor langer Zeit verlaufen, möchte den Ausgang aber gar nicht mehr finden.

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Irgendwann nimmt er plötzlich ein glimmen tief in einem Tunnel wahr. Langsam rollt er auf das Glimmen zu und findet sich in mitten einer Horde Zivilisten wieder. Er geriet in Panik weil er sich um die Sicherheit der Zivilisten sorgte und schoss wie wild in die Luft. Im darauf folgenden Tumult versteckt er sich noch tiefer in den Stollen um seine Geschichte weiter zu schreiben und um sich vor den Menschen zu verstecken.

Zwei Bergsteiger finden Jahrzehnte später den Leichnam eines Söldners. Direkt am Fundort enden die Schriften und die Nachwelt kann beginnen sich mit den Geschehnissen dieser Epoche auseinander zu setzen.


  • die Geschichte ist im Buch: Labyrinth Turmbau, Stoffe I-IX 1998 erschienen.

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